Vollbäder im Wochenbett

 

In Deutschland wird oft gesagt, dass Vollbäder im Wochenbett tabu seien. Das wurde mir als Hebammenschülerin vor 20 Jahren so beigebracht und man kann es immer noch vielerorts hören. Auf meine Nachfrage damals, warum baden im Wochenbett nicht erlaubt sei, kam eine halb genuschelte Erklärung von wegen, dass der Wochenfluss nicht an die Brust kommen solle, denn der Wochenfluss sei infektiös und könne Brustentzündungen auslösen. Das ist natürlich Unsinn. Wochenfluss kommt aus der Gebärmutter, aus dem Körperinneren, wo es sauber ist, und außer man hätte tatsächlich eine Gebärmutterentzündung, ist der Wochenfluss natürlich nicht infektiös. Menstruationsblut kommt vom gleichen Ort und ist auch nicht infektiös. Und weder Wochenfluss noch Menstruationsblut kann irgendetwas Schlimmes anrichten, wenn man badet und das im Wasser gelöste Blut einen selbst oder das Baby irgendwo am Körper berührt.

 

Aus langjähriger Erfahrung kann ich sagen, dass Baden im Wochenbett eine der besten und wirksamsten Methoden ist zur Unterstützung der Heilung nach Dammschnitten, Dammrissen und weiteren Geburtsverletzungen wie Labienschürfungen. Ich habe in 20 Jahren bei Frauen, die täglich im Wochenbett badeten, noch nie eine Infektion von Geburtsverletzungen gesehen. Die Wunden heilen normalerweise hervorragend. Wenn Frauen mich mit schon bestehenden Wundheilungsproblemen im Wochenbett kontaktiert haben, häufig nach Entlassung aus dem Krankenhaus, besteht meine sehr wirksame Standard-Empfehlung und -Behandlung aus Entfernen der Knoten von Damm-Nähten (ab 5. Tag nach der Geburt), Bettruhe nur mit Toiletten- und Badezimmer-Besuch und täglichen Vollbädern mit wundheilendem Zusatz.

Außerdem sind Wannenbäder auch sehr gut gegen die Verspannungs-Rückenschmerzen, die viele Frauen anfangs beim Stillen bekommen.

 

Der einzige Grund, warum man nicht baden sollte im Wochenbett, ist, wenn man kein sauberes Wasser zur Verfügung hat. Also wenn das Wasser infektiös sein könnte. In Deutschland kommt aus der Leitung sauberes Wasser raus, jedenfalls sauber genug, dass man darin bedenkenlos baden kann, auch im Wochenbett. 

Das ist nicht in allen Ländern so. Als ich in Deutschland arbeitete und russische Wöchnerinnen begleitete, habe ich öfters gesehen, dass sie riesige Töpfe Wasser abkochten für das Babybad. Da wird, ihren Erzählungen zufolge, jeder Tropfen Wasser abgekocht, bevor Neugeborene darin gebadet werden. Ich habe ihnen dann gesagt, dass sie das nicht machen brauchen, weil das Wasser in Deutschland sauber genug ist, um Babys darin zu baden. 

 

In Mexiko fragte mich kürzlich eine Frau, die einen Dammriss hatte, der übrigens ohne Nähen sehr gut heilte, wann sie wieder in die Lagune baden gehen darf. Da war ich auch eher vorsichtig, denn das Wasser in der dortigen Lagune ist mit Keimen belastet. Ich meinte, es sei wahrscheinlich am besten zu warten, bis der Dammriss verheilt sei, denn Wunden können sich in unsauberem Wasser entzünden und das will man natürlich nicht. Innerhalb von etwa zwei Wochen war ihr Riss wunderbar verheilt und sie ging wieder baden.  

 

In manchen anderen Ländern wird auch vom Baden im Wochenbett abgeraten, z.B. in China, wo man "zuo yuezi" macht. Das heißt, "den Monat sitzen" und bedeutet, dass man sich den ersten Monat ausruht, keine Arbeit tut und auch sich nicht duscht oder badet oder die Haare wäscht... Einer der Hintergründe ist anscheinend, dass die junge Mutter nicht kalt werden soll. Sie bekommt auch nur Warmes zu essen und trinken, nichts Kaltes. Aber nicht duschen oder baden für 30 Tage... Mit all dem Blut... Hmm, naja...

In anderen Ländern dagegen ist Vollbaden im Wochenbett normal, bei den Engländern zum Beispiel. Stellt Euch meine Verwunderung vor, als ich als junge Hebamme in England arbeitete und sah, wie in einem Krankenhaus eine frische Mutter zwei Stunden nach der Geburt mehr oder weniger zwangsweise in die Wanne gesteckt wurde, bevor sie aus dem Kreißsaal auf die Station kam. "So, jetzt waschen wir Sie erstmal gründlich..." In England ist gründlich waschen immer noch baden und nicht duschen. 

 

Aus Jamaika hörte ich, dass man die Mutter zur Säuberung untenrum nach der Geburt und auch im Wochenbett auf ein Vaginaldampfbad setzt. Man reinigt und heilt also mit Wasserdampf und Kräutern. Ob man zusätzlich noch badet oder nicht, ist mir nicht bekannt. Ich könnte mir vorstellen, dass Vaginaldampfbäder vielleicht in manchen Ländern mit belastetem Wasser im Wochenbett benutzt werden, weil Wasserdampf sauberer ist als Wasser. Vaginaldampfbäder sind übrigens auch gut für die Rückbildung.

Ich vermute also, dass das in manchen Ländern und Kulturen existierende Baden-im-Wochenbett-Tabu entweder von (aktuell oder geschichtlich) unsauberem Wasser kommt. Oder dass es auf mythischen Vorstellungen von infektiösem Wochenfluss beruht. In Deutschland, vermute ich, handelt es sich bei der Ursache eher um mythische Vorstellungen, denn das Sitzbad ist ja im Wochenbett in Deutschland eine traditionelle Behandlungsmethode für Geburtsverletzungen. Und dabei kommen die Wunden ja auch mit Wasser in Berührung. Aber halt nicht die Brust und der restliche Oberkörper mit dem Wochenfluss... Man hält also die obere (als "sauber" zählende) Körperhälfte von der unteren (als "schmutzig" geltenden) separiert.

 

So oder so - Wenn Ihr wo wohnt, wo das Wasser sauber aus der Leitung kommt und Ihr seid gerade im Wochenbett, gönnt Euch Euer tägliches Bad. Erst Mama zur Entspannung alleine und falls Mama und Baby gerne möchten, darf dann auch Baby noch mit ins Wasser. Am besten soll Papa oder ein anderer Helfer der Mutter das Baby ins Wasser reichen und auch anschließend wieder in Empfang nehmen. 

 

Als Badezusatz empfehle ich als die beiden einfachsten Varianten entweder 10-15 Tropfen ätherisches Lavendelöl oder 2 Eßl Calendula-Essenz (von Wala oder Weleda) oder selbstgemachte Ringelblumentinktur. Sehr gut ist auch das sogenannte "Sitzbad", aber als Vollbad angewendet, nach Stadelmann. Es enthält Meersalz, Jojobaöl und ätherische Öle von Kamille, Lavendel, Rose, Rosengeranie und Schafgarbe. Man kann sich auch selbst aus einigen oder allen dieser Zutaten ein Bad mischen. Ich habe schon öfter Badesalz für "meine Frauen" gemischt, einfach nur aus Himalayasalz und ätherischem Lavendelöl, evtl. noch dazu ätherisches Kamillen- und Rosenöl. Oder man kann zum Baden einen Aufguß, also einen starken Tee, aus Kräutern nehmen. Gut geeignet sind zum Beispiel die schon erwähnten, die man auch selbst sammeln kann: Kamillenblüten, Lavendelblüten, Rosenblütenblätter, Ringelblumenblüten... Ringelblume ist Calendula und wenn man sie im Garten einmal aussät, kommt sie jedes Jahr von alleine sich selbst aussäend wieder. Bei Schafgarbe nimmt man das ganze blühende Kraut mit Stengel, Blättern und Blüte.

 

Als ich einmal sehr viel Ringelblumen im Garten hatte, fädelte ich Blüten zu Kränzen auf und ließ sie trocknen. Ein Kranz war für ein Vollbad. Einfach mit kochendem Wasser überbrühen und etwa 10 Minuten oder länger warten und dann den Aufguss samt Kranz (zur Dekoration und Erfreuung) ins fertig eingelassene Badewasser geben.  

 

Ab in die Wanne!